GENOSSENSCHAFT : "Gelenkte Demokratie" - Sechs Bahrenfelder Variationen auf ein Putin-Thema |
Veröffentlicht von Clemens Grün am 02.02.2009 |
Desinformation per Datenfunk-News, ein zensiertes Internetforum und verfälschte Aufsichtsratsprotokolle - in der Bahrenfelder Taxenzentrale übt ein Amateur-Ensembel ein halbes Dutzend Variationen des russischen Komponisten Putin ein - in einer erstaunlichen Harmonik.
Noch ertönen nicht alle Noten gekonnt, und einige Instrumente bedürfen einer erneuten Stimmung, doch die Wangen der Mitglieder des "Laienorchesters Stahltwiete" glühen schon vor Aufregung: Endlich, nach den ermüdenden Proben der vergangenen Monate und Jahre mit unvollständigen Notenblättern und fehlenden Instrumenten, dürfen sie sich an etwas richtig Großes wagen, an das Putinsche Meisterwerk "Gelenkte Demokratie". Ein halbes Dutzend Variationen auf dieses bekannte russische Thema hat man in den letzten Wochen probiert, und auch, wenn noch manches halbfertig klingt, gelegentlich auch stümperhaft, sind sich alle Beteiligten sicher: etwas anderes als ein Triumpf, ein Welterfolg ist gar nicht möglich.
Gleich soll es losgehen mit der Premiere, nach triumpfaler Generalprobe: Orchestergründerin Christiane N. schwingt schon den Taktstock und nickt Anne D., ihrer ersten Geige, zu. Jürgen G. und Ellen B., die beiden Cellisten, wirken noch etwas unsicher, fast scheint es, als ob sie sich hinter ihren großen Instrumenten verstecken wollten, und auch Reinhard. K. wirkt an seiner Triangel noch wenig präsent. An der zweiten Geige zupft Mario M. ein paar Noten vom Blatt, was aber ob des des Lärms der Bläsergruppe um Bernd N. untergeht.
Sechs Variationen der "Gelenkte Demokratie" sollen heute aufgeführt werden - hier eine kurze Werkseinführung:
1. Variation - Andante lugubre: "Nur ein Internet-Forum mit Zensur macht Spaß"
Demokratie ist klasse und Meinungsfreiheit eine tolle Sache - Hauptsache, man hat die Hand drauf. In der modernen Internet-Demokratie richtet man dazu ein Webseiten-Forum ein und ein paar Moderatoren gleich mit, die drauf achten, dass der Pöbel nicht aus dem Ruder läuft. Im alten DT-Forum erschienen in einundeinhalb Jahren genau ein Beitrag (zum Thema Hafengeburtstag), dann lange nix und dann ein "Offener Brief an den Aufsichtsrat" lieber auch nicht - es wurde dann kürzlich anonym bestattet. Seit Mitte Januar 2009 erstrahlt das neue DT-Internetforum beim externen Anbieter Razyboard und damit in illustrer Nachbarschaft zum Henglong Panzerforum, dem Holzfäller-Camp und der Plattform für Frucht- und Honigweine. Bei unerwünschten Zeilen greift Moderator Marion dann schon mal händisch ein und verkürzt still und heimlich unbootmäßige User-Signaturen - stilgerecht ohne Ankündigung vorher und ohne Information nachher. Natürlich nur aus dem besten Grunde: "Ich will das so nicht" . Bemerkenswert das variantenreiche Solo der 2. Geige mit machiavellischer Grazie: Öffentliche Beschwerden darüber werden kurzerhand so geschickt gekürzt, dass der unbeteiligte Leser den Zusammenhang nicht mehr verstehen kann. Ein Höhepunkt das fintenreiche Finale: Nicht die Zensur schadet dem Laden, sondern das Lamento darüber - und schwupps ward das Internetforum nicht-öffentlich.
2. Variation - Presto morendo: "Desinformation nach Lehrbuch - oder auch: 'Es gibt keine Technikgruppe' "
Gut für "Gelenkte Demokratie" ist es, wenn man die medialen Verbreitungs-Kanäle kontrolliert. Besonders gut, wenn man der einzige ist, der im neuen DT-Datenfunk eine "Nachrichten an Alle" schicken kann. Christiane nutzte diese Möglichkeit in bester autokratischer Tradition am 22. Januar 2009 gleich zu Beginn des abendlichen Datenfunk-Testbetriebs und schrieb, zur Unterstreichung der Autorität gleich noch im Namen von Vorstand Anne Dolmar mit, im besten Propaganda-Stil: "Falsch ist, dass wir eine Fachgruppe Technik haben". Aus dem Fachausschuss ITK-Technik/Datenfunk (so der korrekte Name, aber man muss ja nicht alles wissen) waren immer mal wieder Papiere mit konkreten Nachfragen und detailierten Vorschlägen zur Gestaltung des Datenfunks veröffentlicht worden. Daran hatte sich auch nichts geändert, als man von Seiten des Vorstandes und des Aufsichtsrates den Fachausschuss links liegen liess, seine Arbeit zwar wiederholt telefonisch anforderte, Ergebnisse dann aber offiziell nicht zur Kenntnis nahm und die Schreiben schon mal gar nicht beantwortete. Um die Umtriebe weiter einzudämmen, wandte sich nun Christiane der bewährten Führungs-Strategie divide et impera (lateinisch für: Teile und Herrsche) zu und schrieb weiter: "Richtig ist, dass alle Fahrerinnen und Fahrer der Fachausschuss ITK-Datenfunk sind und zum Austausch ein Plenum stattfinden wird." So wird's gemacht: Schaffe einen künstlichen Gegensatz zwischen den nervigen Taxifahrern aus dem Fachausschuss und allen Taxifahrern - und beherrsche das Spiel allein. Ein schönes Lehr-Stück mit Paukenschlag - aber noch nicht ganz konsequent: Fälsche besser nächstes Mal auch jene Seiten, die das Gegenteil Deiner Propaganda beweisen.
3. Variation - Andante sostenuto: "Behalte die Deutungshoheit - verfälschte Protokolle können helfen"
Wichtig bei "Gelenkter Demokratie ist", dass die Gremien-Protokolle immer das enthalten, was Dir nützt - lasse jenen Rest, der den Mob nur beunruhigen oder gar aufwiegeln könnte, einfach weg. Die dritte Variation zeigt am Beispiel des Protokolls der gemeinsamen Sitzung des Aufsichtsrates und des Vorstandes am 26. Januar 2009, wie man's macht: Erst lässt du jene Teile weg, in denen es um die Konsequenzen aus dem Gespräch geht, das drei Werktage zuvor in Kopenhagen mit Frogne, dem Anbieter des neu beschafften und nun im Testbetrieb noch nicht rund laufenden Datenfunk-Systems (man spricht nur außerhalb des Protokolls, so unter sich "off the record"), stattfand. Dann unterschlägst du im Protokoll den entscheidenden Hinweis auf eine Empfehlung des Genossenschafts-Prüfungsverbandes, der gemeinerweise deine exotische Rechtsposition nicht stützt (jetzt erst Recht gemäß dem Motto: Legal, illegal, scheißegal) und nimmst es auch bei der vermerkten Anwesenheit der Teilnehmer nicht so genau (egal, wenn jemand erst später dazustößt). Zwar hat Vorständler Mario in der Sitzung beispielweise über Sektorenzuschnitte gesprochen und damit zum Thema jenes Plenums, das lt. Protokoll am 3. Februar 2009 bei DT stattfinden wird, aber was in der Sitzung dazu vorbereitend beredet wurde, muss man dem dummen Volke noch lange nicht mitteilen - dafür sind Protokolle nun wirklich nicht da. Dass der Aufsichtsrat im Falle des ersten von zwei Tagesordnungspunkten (siehe unten: Mitgliederlisten) rechtlich überhaupt nicht zuständig war, ist bei einer stringenten Machtstrategie zu vernachlässigen.
4. Variation - Moderato alla marcia: "Führe das Plenum an der kurzen Leine"
Üblicherweise lässt Du den Droschken-Pöbel nur in kleinen, überschaubaren Grüppchen in Deine Macht-Zentrale. Beispiel: Verbreite die Einladung zur DT-Weihnachtsfeier erst am selbigen Dienstag Abend und erst eine dreiviertel Stunde vorher, am besten auch nicht durch eine gedruckte Auslage, sondern nur per Funkspruch - so kannst Du sicher stellen, dass kaum jemand kommt. So machst Du es auch, wenn Du ein Ventil für angestauten Unmut über die verspätete Einführung und die schleppenden Fortschritte beim Datenfunk schaffen willst, um Druck aus dem DT-Topf zu nehmen: Du setzt ein Datenfunk-Forum für den 3. Februar 2009 an, veröffentlichst den Termin aber möglichst erst am 29. Januar abends nach 18:00 Uhr, weil du durch deine Webstastiken weisst, dass dann die meisten Webbesucher für den Tag schon durch sind. Am nächsten Tag ist mit Freitag schon beginnendes Wochenende, viele Taxifahrer lassen die DT-Webseite angesichts der wöchentlichen Umsatzspitzen, die vor ihnen liegen, rechts liegen. Eine gewisser Quell der Unsicherheit sind der übliche Buschfunk und die Gespräche von Taxi-Kollegen, aber du baust überbordender Wissbegier und Nachfragerei geschickt vor und begrenzt das Thema auf zwei Details: "Wir wollen über die bestehenden Sektoren und Rufreihenfolgen diskutieren." Merke: Es ist unwichtig, worüber die Fahrer und Unternehmer sonst noch diskutieren wollen - Du bestimmst das Thema. Schicke noch einen Vasallen vor, der in aller Deutlichkeit erklärt: "Natürlich geht es um mehr, als nur um die bestehenden Sektoren und Rufreihenfolgen, aber dann muss ein weiters / anderes Plenum folgen." Übersetzt: Worüber am Dienstag geredet wird, entscheidest Du. Wichtig für das Aufgehen der Strategie ist auch, was Du weglässt, beispielsweise die Ankündigung einer umfassenden und überfälligen Information über den Stand der Dinge und die weiteren Planungen. Wenn Du Dich genötigt siehst, doch Informationen herauszugeben, so mache das aber nur ganz kurzfristig und höchst selektiv - alles andere schafft nur unnötige Unruhe.
5. Variation - Lento molto: "Blockiere unangenehme Entwicklungen, notfalls brich das Gesetz - oder auch: die unvollständige Mitgliederliste Teil 1"
Faszinierend ob ihrer Keckheit und ihrer Unverfrorenheit ist die 5. Variation der "Gelenkten Demokratie". Manchmal berufen sich irgendwelche dahergelaufenen Querulanten auf das Gesetz und das Recht - denen wird aber mal gezeigt, was eine wirksame Blockade-Strategie ist. Wenn z.B. jemand meint, er könne einfach so § 31 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes zitieren, wonach Mitgliedern einer Genossenschaft eine vollständige Liste der Mitglieder (inkl. Anschriftdaten) auszuhändigen ist, dann läuft der Querulant, der Unterschriften für die Einberufung einer Genossenschaftsversammlung sammeln will, erst einmal bei zwei zugesagten Übergabe-Terminen (Do. 29. und Fr. 30. Januar 2009) ins Leere. Anschließend bekommt er vom unzuständigen Aufsichtsratsvorsitzenden eine eMail ohne Betreff, aber mit fünf Schreibfehlern in zwei Sätzen (Achtung: originale Diktion): "Der Vorstand hat den Ar von deinem Wunsch in Kenntnis gesetzt , das du eine Genossenliste möchtest. Das werden wir auf unser nächtsten Sitzung denn Diskutieren." Die Tatsache, dass der Aufsichtsrat weder Adressat noch Zuständiger in einem solchen Fall ist, seine zeitraubende Beschäftigung damit also juristisch belanglos, darf bei einer wirksamen Blockadepolitik nicht weiter stören. Stören darf auch nicht die Kenntniss der rechtlichen Unhaltbarkeit der eigenen Position, hat doch der eigens befragte Prüfungsverband das Ansinnen des Genossenschaftsmitgliedes unterstützt (DT-Website ohne Angabe des Verfassers: "(...) gab der Prüfungsverband zu bedenken, dass wir Name und Adresse zur Verfügung stellen müssten"). Erst einmal voll auf der Bremse, spielen auch Hinweise des die DT-Genossenschaft immer wieder beratenden Rechtsanwaltes genauso wenig eine Rolle wie der einschlägige Gesetzeskommentar, der genau diesen Fall eindeutig darstellt: "Daneben hat jedes Mitglied das Recht, aus der Mitgliederliste eine Abschrift der Anschriften aller Mitglieder zu verlangen, wenn hierfür ein berechtigter Grund dargelegt wird." (weiter mit Fußnote 4:) "z.B. eine a.o. GV einzuberufen ..." (Anm.: a.o. GV = Außerordentliche Genossenschaftsversammlung).
6. Variation - Adagietto marcato: "Kontrolliere Opposition schon beim Entstehen - oder auch: die unvollständige Mitgliederliste Teil 2"
Wenn die Herausgabe einer Mitgliederliste sich gar nicht vermeiden lässt, sei es wegen der nervigen Fristsetzungen des Genossenschaftsmitgliedes, sei es ob der monetären Ungewissheit (der Querulant hat gedroht, finanzielle Folgen des rechtswidrigen Verhaltens von der Genossenschaft auf die zuständigen Vorstandmitglieder per GV-Beschluss abwälzen zu lassen - das kann teuer werden), sucht und findet man eine schicke Variante, die die Blockadestrategie zu einem guten Ende führen kann. Zuerst erstellt man eine Mitgliederliste ohne Titel, Datum, Verfasserangabe, Namens-Nummerierung und sonstigen unnötigen Ballast - nur 67 Namen und sonst gar nichts. Bei der Mitgliederliste lässt man den Namen des Querulanten weg - soll er sich doch den Kopf zerbrechen, ob nur sein Name fehlt oder auch noch andere (nur 67 Genossenschaftsmitglieder - war nicht neulich noch eine höhere Zahl im Spiel?). Und dann läßt man seine ganze Phantasie, nein: Perfidie spielen und kommt zu Folgendem: Der Querulant hat die Liste zu sichten und darf sich zehn Namen auswählen. Die werden dann abtelefoniert, ob die Adresse herausgegeben werden darf. Netter Nebeneffekt: Der Vorstand bekommt frei Haus eine Liste potentieller Oppositions-Kandidaten und weiß schon mal im Vorwege einer GV, auf wen und worauf er sich einzustellen hat. Teuflisch gut - eine wirklich gelungene Variation der "Gelenkten Demokratie". Das hätte der Komponist nicht besser hinbekommen.
Da capo!
Vielleicht geht das "Laienorchesters Stahltwiete" mit den großartigen sechs Variationen demnächst auf Welttournee. In vielen Ländern wird solch starke Interpretation geschätzt, dort achtet man weniger auf die handwerkliche Qualität und umso mehr auf die künstlerische Ausdruckskraft. Da wird Beifall gezollt, da wird die Leistung anerkannt - da wird nicht kleindeutsch rumgemäkelt oder sogar, wie neulich geschehen, gebuht. In der großen weiten Welt mag man solche mutigen Künstler. Zuhause soll es sogar welche geben, die wünschten sich, das "Laienorchesters Stahltwiete" käme von der Welttournee nie wieder zurück.
Letzte Änderung: 08.06.2009 um 09:12
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